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Das Haus Salzburger Vorstadt Nr. 9

seit jeher ein Ort der künstlerischen und kulinarischen Begegnungen

In diesem altehrwürdigen Bürgerhaus, so berichten die alten Erzählungen, hätten zwei bedeutende Bildhauer im unteren Gwölb ihre Werkstätten eingerichtet. Ein unteres Gewölbe und zwei bedeutende Bildhauer, das forderte ja gerade dazu heraus, weitere Recherchen anzustellen. Das dabei zusammengetragene Aktenmaterial haben wir verwendet, um eine kurze Biografie des Hauses und seiner Bewohner zusammenzustellen.

Abbildung: Blick in die Vorstadt mit dem sogenannten Bäckerhaus Salzburger Vorstadt Nr. 9 (Alte Ansichtskarte)

In Franz Martins Braunauer Häuserchronik aus dem Jahre 1943 findet sich der erste Hinweis zu den gesuchten Bildhauern. Hier sind unter der Adresse Salzburger Vorstadt Nr. 9 von 1693 bis 1755 Hagenauer (Högenauer) Sebastian, Bildhauer, und Libigo Johann Georg von Dillingen, ebenfalls Bildhauer, als Besitzer verzeichnet.

Einen weiteren Hinweis zu Sebastian Högenauer entdeckten wir im Trauungsbuch 1650-1685 der Pfarre Winhöring. Ebenso fanden wir Einträge im Trauungsbuch 1653-1697 und auch im Sterbebuch 1706-1724 der Pfarre Braunau am Inn.
Sebastianus Högenauer, Bürger und Bildhauer allhier zu Braunau, heiratete am 20. November 1684 die aus Rosenheim stammende Bildhauertochter Maria Helene Maß. Anno 1693 bezog er das Haus Salzburger Vorstadt Nr. 9 und war dort bis zu seinem Tod am 9. September 1719 auch wohnhaft.

Recherchen in den digitalisierten Beständen deutschsprachiger Bibliotheken brachten einen weiteren Kunstschaffenden zum Vorschein, der fast zehn Jahre gemeinsam mit Sebastian Högenauer im unteren Gewölbe tätig war. Es handelt sich um den Maler Jakob Simon Lamberti aus Passau, der im Jahre 1693 die Gerechtsame des Bildhauers Sebastian Högenauer übernahm. In seinem Ansuchen um die Verleihung des Gollinger Bürgerrechts anno 1708 schrieb Jakob Simon Lamberti, dass er sich vor sechs Jahren wegen der Khrieg-Drublen, der Einquartierung von bayerischen Soldaten und der Steuergelter der Stadt Braunau abwekhbegeben und nun sein Domizil negst der Stadt Tittmoning aufgeschlagen habe.

Über den Aufenthalt des zweiten gesuchten Bildhauers im Haus Salzburger Vorstadt Nr. 9 geben einerseits die Kirchenbücher der Pfarre Braunau, andererseits die heimatkundlichen Forschungen des ehemaligen Braunauer Pfarrers Franz Ferstl Aufschluss. Johann Georg Libigo, Bildhauer allhier zu Braunau, heiratete am 27. Jänner 1721 die Witwe des Bildhauers Sebastian Högenauer und war bis zu seinem Tod am 29. März 1743 auch als Besitzer des Hauses in der Salzburger Vorstadt eingetragen.

Abbildung: Heiratseintrag von Johann Georg Libigo mit der Witwe des Bildhauers Sebastian Högenauer (Kirchenbuch der Pfarre Braunau)

In einem Rechnungsbeleg aus dem Jahre 1730 wird eine seiner bildhauerischen Arbeiten genauestens beschrieben: Nachdem nun das alte Krippl bey dem Spital so schlecht gewesen, obwollen zwar die Maist Figuren noch Prauchbar gewesen so weit, haben von dem Pilthauer abgebittet und von neuem wiederumben angekleidet worden, hat die Notdurft erfordert ain ganz neues machen zu lassen und auch von ainem löblichen Magistrath für guett befunden worden. Seiner zweiten Frau Maria Anna Libigo, bürgerliche Pilthauerin, oblag das Claidten der Figuren wie Maria und Josef, die drei Könige, die Hochzeiterin, zwei Engel, Ministranten, Trompeter, Pagen, Hirtenjungen, römische Diener, sechs Weibsbilder und noch zahlreich andere Leiber mehr.

Die Rede ist hier von den Figuren der sehenswerten historischen Wandelkrippe im Bezirksmuseum Braunau am Inn, die auch heute noch, nicht nur zur Weihnachtszeit, von jung und alt bestaunt werden kann.

Das Haus Salzburger Vorstadt Nr. 9 als Ort der künstlerischen Begegnungen ist ja nun eindeutig belegt. Was aber hat es mit dem Ort der kulinarischen Begegnungen auf sich?

Im handschriftlichen Protokoll der Grundbesitzer der k. k. landesfürstlichen Gränzvöstungsstadt Braunau anno 1787 ist dieses Gebäude als Bäckerhaus verzeichnet. Und das mit gutem Grund, waren doch seit 1755 bis in die heutige Zeit die Bewohner des Hauses nachweislich im Bäckergewerbe tätig. Im unteren Gewölbe, wo einst kunstvolle Holzfiguren entstanden sind, verwandelte sich jetzt gekneteter Teig in herrlich duftende Backwaren.

Abbildung: Die ehemalige Bäckerei von Johann Loböck im Haus Vorstadt Nr. 9 (Archiv Renate Hoerner)
Ja und auch heute ist der untere Bereich des Hauses noch immer ein kleiner aber feiner Ort der kulinarischen und geselligen Begegnung.

Nach all den aufwendigen Recherchen wollten wir natürlich das altehrwürdige Gebäude und vor allem das untere Gwölb auch in Natura begutachten. An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei Familie Bruckbauer bedanken, die es uns ermöglicht hat, alle Räumlichkeiten des Hauses genauestens unter die heimatkundliche Lupe zu nehmen. Im verwinkelten Eingangsbereich führt eine schmale Treppe hinab ins untere Gewölbe. In den mehrfach unterteilten Räumlichkeiten war in einer unscheinbaren Nische noch das ursprüngliche Backsteinmauerwerk erkennbar. Die ehemalige Bildhauerwerkstatt hat wohl im Laufe der Jahrhunderte eingreifende bauliche Veränderungen erfahren, aber durch die außergewöhnliche Form der Kellerdecke ist es dem Betrachter mit etwas Vorstellungskraft möglich, das ursprüngliche Aussehen des unteren Gwölbs zu erahnen.

Abbildung: Die ehemalige Bildhauer-Werkstätte im unteren Gwölb des Hauses Vorstadt Nr. 9 (Foto Manfred Rachbauer)

In genau entgegengesetzter Richtung der unterirdischen Gewölbe entdeckten wir ein Kuriosum par excellence, das im weitesten Sinne ebenfalls mit der Braunauer Unterwelt in Verbindung gebracht werden kann. Im weitgehend original erhalten gebliebenen Dachboden des Hauses war an der hinteren Giebelwand eine etwas unscheinbare Kammer zu sehen. Die hölzerne Tür gleich neben dieser Kammer stach uns aber sofort ins Auge.

Abbildung: Alte Holztür im weitgehend original erhalten gebliebenen Dachboden des Hauses Vorstadt Nr. 9 (Foto Manfred Rachbauer)

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten ließ sich die alte verzogene Tür dann doch noch öffnen und vor uns stand eine aus Ziegeln und Tuffstein aufgemauerte, antiquierte Stoffwechselstation. Na ja, ein steinernes Plumsklo halt, um es mal umgangssprachlich auszudrücken. Ein stilles Örtchen mit Steinoptik auf dem Dachboden mit einem schmalen Schacht, der direkt im Altstadtkanal endet, passt ja ganz gut zu den Geschichte(n) aus der Braunauer Unterwelt.

Abbildung: Stilles Örtchen mit Steinoptik auf dem Dachboden des Hauses, Salzburger Vorstadt Nr. 9 (Foto Manfred Rachbauer)

Digitale Bilderkarte zum Haus, Salzburger Vorstadt Nr. 9

Digitale Bilderkarte zum Haus, Salzburger Vorstadt Nr. 9

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