Das Haus des Schlüsselbewahrers
Da zwischen den Kellergewölben und der Geschichte des Hauses am unteren Stadtplatz Nr. 1 ein Zusammenhang besteht, werden zunächst die historischen Hintergründe des Gebäudes näher beleuchtet.
Das Haus Nummer 1 am unteren Stadtplatz, indem heute das Bezirksgericht Braunau untergebracht ist, war früher der Sitz des Schlüsselbewahrers für das mächtige Brückentor. Erste geschichtliche Aufzeichnungen über dieses historische Gebäude gehen bis ins 12. Jahrhundert zurück als die Herren Von Prunow, die niedere Gerichtsbarkeit ausübten, die Maut und das ehrenvolle Amt der Schlüsselbewahrer innehatten.
Im Buch Geschichte, Geographie und Statistik des Erzherzogtums Österreich ob der Enns von Benedikt Pillwein heißt es: Da wurden die niederen Händel des Burgfriedens geschlichtet, da wurden Kaufmannschaft, Gastgebung betrieben, da wurde der Inntorschlüssel aufbewahrt.
Abbildung: Das Haus Stadtplatz Nummer 1 mit dem alten Inntor und dem Aussichtstürmchen "Warte am Inn" (nach einem Gemälde Hugo von Preen)
Im Jahre 1508 verkaufte ein gewisser Ulrich Geltinger zu Eitzin das Haus am Inntor samt Stadel, Stall und Garten an Peter und Wolfgang Baumgartner zu Ering und Frauenstein. Nach kleineren Umbaumaßnahmen in den Jahren 1515 bis 1524 erwarb Ferdinand Lorenz, Graf Wartenberg, im Jahre 1664 das Gebäude neben dem Inntor.
Mit Ende des 17. Jahrhunderts kam das Haus in den Besitz des kaiserlichen Rates Jonas Valentin von Lindenberg und seiner Frau Regina, geborene Schmidt von Kronreith. Die aus dieser Ehe stammende Tochter Elisabeth von Lindenberg heiratete einen gewissen Karl Lothar Weikel, einen außerehelichen Sohn des Herzogs Karl IV von Lothringen und dessen Mätresse Katharina de Saint Remy.
Dieser Karl Lothar Weikel war im Jahre 1691 Inhaber des Kürassier Regiments Weickel im bayrischen Chevauleger-Regiment. 1697 wurde er Kommandant der Festung Braunau, 1707 Generalfeldmarschall und im Jahre 1726 wurde er in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Er erhielt den Adelstitel von Wackerstein und führte forthin den Namen Karl Lothar Weikel von Wackerstein. Seine Familie, insbesondere die Nachkommen nannten sich aufgrund der französischen Abstammung Vequel.
Im Zeitabschnitt Lothars dürfte das Haus Stadtplatz Nummer 1 im Wesentlichen seine heutige Form erhalten haben. Karl Lothar starb, laut genealogischer Unterlagen, am 8. Januar 1731 in Braunau am Inn.
Abbildung: Das Weikel- oder Vequelhaudhaus Stadtplatz Nummer 1, anno 1910 (Archiv Renate Hoerner)
In der Maurerkapelle (Maria-Hilf-Kapelle) der Braunauer Stadtpfarrkirche sind die Wappen der Familie Lindenberg und der Familie Weikel (Vequel) zu sehen. An der Westwand der Maurerkapelle ist der Stifter Jonas Valentin von Lindenberg, kaiserlicher Rat und Truchsess des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel, dargestellt. Seine Büste flankieren zwei Totengerippe, die symbolisch die Vergänglichkeit alles Lebens darstellen. Unter diesem Epitaph befindet sich ein Gedenkstein für Karl Lothar Weikel von Wackerstein, Festungskommandant von Braunau. Die Inschrift darauf erzählt, dass dieser als Generaladjutant von Karl IV von Lothringen alle nur erdenklichen Tugenden besaß.
Abbildung: Wappen der Familie Lindenberg und der Familie Vequel in der Stadtpfarrkirche St. Stephan Braunau am Inn (Foto Manfred Rachbauer)
Ein Nachkomme von Karl Lothar Weikel, Theodor Baron Vequel, verkaufte 1818 das Haus dem K.u.K. Ärar.
Bei der Generalsanierung des Bezirksgerichtes durch die Landesbaudirektion im Jahre 1975/76 wurde auf Details besonderer Wert gelegt. Über dem ostseitigen Eingangsportal sind die Wappen der Familie Lindenberg und der Familie Vequel mit zwei Pfälzer Löwen zu sehen, welche am Ende der Renovierungsarbeiten installiert wurden.
Abbildung: Ostseitiges Eingangsportal mit den Wappen der Familie Lindenberg und der Familie Vequel (Foto Manfred Rachbauer)
Als Kurfürst Maximilian I von Bayern nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges anno 1620-1622 die Festung Braunau an der West- und Nordseite befestigen ließ, wurden hinter den mächtigen Mauern sogenannte Kasematten gebaut. Dabei handelt es sich um vor Artilleriebeschuss geschützte Räumlichkeiten für die Aufnahme von Kriegsmaterial und Vorräten sowie für die Unterbringung der Mannschaften. Im oberen Kellerbereich des Bezirksgerichtes ist ein gemauerter Backofen zur Versorgung dieser Mannschaften bis heute erhalten geblieben.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei Herrn Volker Landsfried bedanken. Durch seine umfangreichen Kenntnisse der Braunauer Unterwelt können wir Ihnen die nachfolgenden außergewöhnlichen Bilder der Kellergewölbe unter dem Bezirksgericht präsentieren.
Abbildung: Backofen zur Versorgung der Mannschaften im Kellerbereich des heutigen Bezirksgerichtes Braunau am Inn (Foto Manfred Rachbauer)
Ein kleineres Gewölbe unter dem Keller des heutigen Bezirksgerichtes ist ein eindeutiger Beweis für diese geschützten Räumlichkeiten (Kasematten). Beim Bau des österreichischen Brückenkopfes für die neue Straßenbrücke in den Jahren 1949-1951 wurden mehrere dieser Kasematten freigelegt.
Abbildung: Abgang zu einem weiteren Gewölbe unter dem Kellerbereich des heutigen Bezirksgerichtes Braunau am Inn (Foto Manfred Rachbauer)
Von der oberen Kellerebene führt ein schmaler Abgang zum nächst tiefer gelegenen Kellergewölbe, in welchem sich Hinweise für weitere geschützte Räumlichkeiten (Kasematten) finden. Im hinteren, linken Bereich des kleinen Kellergewölbes wurde unser Forschungsdrang durch eine gemauerte Wand aus Ziegeln abrupt beendet.
Abbildung: Zugemauerter Gang im Gewölbe unter dem Kellerbereich des heutigen Bezirksgerichtes Braunau am Inn (Foto Manfred Rachbauer)
Aus zuverlässiger Quelle (Herr Volker Landsfried) wissen wir, dass hinter der Ziegelmauer steile Stufen noch tiefer in die Braunauer Unterwelt hinab führen. Höchstwahrscheinlich zu weiteren Kellergewölben (Kasematten), die wie bereits oben erwähnt, beim Bau des österreichischen Brückenkopfes für die neue Straßenbrücke in den Jahren 1949-1951 freigelegt wurden.
Abbildung: Mehrere gemauerte Schächte im Kellerbereich des Bezirksgerichts Braunau führen noch tiefer in die Braunauer Unterwelt (Foto Manfred Rachbauer)
Digitale Bilderkarte zum Haus des Schlüsselbewahrers
Das Google Maps Navigationssystem ist zwar sehr zuverlässig, aber sicherlich nicht unfehlbar. Als aufmerksamer Spaziergänger sollten sie also vor allem Ihre Umgebung immer genau im Blick haben und nicht nur mit gebeugtem Kopf Smartphone und Co fixieren. Dann steht einem unbeschwerten Ausflug nichts mehr im Wege.
Natürlich können Sie sich auch mit einem "analogen Navigationssystem", sozusagen "auf des Schusters Rappen" ausgerüstet mit einem Stadtplan an den gewünschten Zielort begeben.