Ein Pesttürl aus dem Lebzelterhaus
In einer alten Beschreibung der Sammlungen des Braunauer Heimathauses hat folgender Eintrag unser heimatkundliches Interesse geweckt. Der Flurgang führt in einen hohen, hellen Raum. Dort befindet sich eine Original-Pesttür, die aus dem Lebzelterhause am Hauptplatze stammt.
Diese hier beschriebene Pesttür kann übrigens auch heute noch im Heimathaus Braunau besichtigt werden.
Abbildung: Pesttür aus dem 16. Jahrhundert im Heimathaus Braunau am Inn (Foto Rachbauer)
Durch den kurzen aber doch sehr aussagekräftigen Hinweis auf das Lebzelterhaus am Hauptplatz sollte es uns doch möglich sein, herauszufinden, welches Stadthaus das Relikt aus dunklen Zeiten wohl einst verschlossen hielt. Und auch hier wurden wir sehr schnell in den Beständen der Studienbibliothek Braunau fündig. Im handschriftlichen Protokoll der Grundbesitzer der k. k. landesfürstlichen Gränzvöstungsstadt Braunau anno 1787 ist das heutige Haus Stadtplatz Nr. 13 als Lebzelterhaus am Hauptplatze verzeichnet.
Nun war es wieder an der Zeit, etwas heimatkundliche Feldforschung zu betreiben und das alte Bürgerhaus am Stadtplatz zu begutachten. Von außen betrachtet präsentiert sich uns ein prächtiges Doppelhaus mit zwei steilen Dreieckgiebeln. Die südliche Giebelspitze krönt eine steinerne Kreuzblume und im oberen Eckbereich gegen die Johann Fischer-Gasse sind zwei Kanonenkugeln eingemauert. Diese historischen Kriegsrelikte sollen laut einer alten Volksüberlieferung aus der Zeit des Österreichischen Erbfolgekriegs stammen.
Abbildung: Lebzelterhaus Stadtplatz Nummer 13 in Braunau am Inn (Foto Rachbauer)
Doch damit nicht genug, das sehenswerte Bürgerhaus hatte in alter Zeit noch ein weiteres geschichtsträchtiges Kleinod zu bieten. Als im August 1922 allfällige Renovierungsarbeiten am Gebäude durchgeführt wurden, kamen nach Freilegung des Verputzes Reste von großflächigen Wandmalereinen zum Vorschein. Im nachfolgenden Artikel aus der Neuen Warte am Inn vom 18. August 1922 wird diese Entdeckung sehr anschaulich beschrieben.
Wandmalereien am Lebzelterhaus. Bei den Renovierungsarbeiten am Lebzelterhaus wurden Teile von farbiger Bemalung der Hausfront freigelegt. Leider waren es nur mehr spärliche Reste, die zu Tage kamen, an deren Erhaltung nicht mehr gedacht werden konnte. Herr von Preen hat hiervon Skizzen angefertigt. Die Ornamentik dieser Malerei entstammt der deutschen Spätrenaissance um das Jahr 1600 herum. Auf diese Zeit deutet die plastisch geformte Kartusche mit den gekrümmten Ständern und Voluten, in die das Rankenornament hineinspielt. Auch die Anbringung von Delphinköpfen ist für diese Zeit charakteristisch. An den Mauerkanten sind Haussteine durch Malerei dargestellt und zwar werden sogenannte Diamantbossen markiert. Auch diesen Schmuck kennt erst die Spätrenaissance.
Abbildung: Wandmalereien am Lebzelterhaus gezeichnet von Hugo von Preen (Bezirksmuseum Braunau am Inn)
Eine steinerne Kreuzblume als krönender Abschluss, eingemauerte Kanonenkugeln und Wandmalereien mit Delphinköpfen als Motiv? Da waren wir jetzt mehr als gespannt, was uns da erst im inneren des Hauses erwarten würde. Durch die freundliche Genehmigung der Hauseigentümerin konnten wir die unteren Räumlichkeiten des Hauses genauestens unter die heimatkundliche Lupe nehmen. Über den hinteren Eingangsbereich betreten wir ein verwinkeltes Haus mit mehrfach unterteilter Raumanordnung. Was im Erdgeschoss sofort ins Auge fällt, sind die bestens restaurierten spätgotischen Gewölberippen, die hier höchstwahrscheinlich dekorativ und ohne tragende Funktion verbaut worden sind.
Abbildung: Spätgotische Gewölberippen im Erdgeschoss des Hauses Stadtplatz Nr. 13 (Foto Rachbauer)
Etwas versteckt führt eine schmale, geschwungene Treppe aus Beton in den Kellerbereich. Hier erwarten uns Gewölbemauern aus ungleich zugehauenen Sand- und Tuffsteinquadern, massive Rundbögen aus roten Ziegeln sowie zugemauerte Torbögen und Fensterschächte.
Abbildung: Stufen in die Unterwelt des Lebzelterhauses Stadtplatz Nr. 13 (Foto Rachbauer)
Dieses von neuzeitlichen Modernisierungsmaßnahmen weitgehend verschont gebliebene, unterirdische Gewölbe mit seinen aus Ziegelsteinen gemauerten, ineinander verschachtelten Rundbögen ist also bestens geeignet für unsere Geschichten zur Braunauer Unterwelt.
Abbildung: Kellergewölbe im Lebzelterhaus Stadtplatz Nummer 13 (Foto Rachbauer)
Welchem Zweck das Gebäude wohl einst gedient haben mag und befand sich die oben erwähnte Pesttür im Außenbereich des Hauses oder doch eher im unterirdischen Gewölbe?
Diese Fragen konnten wir bisher nicht eindeutig klären, aber wir sind ja auch weiterhin in Sachen Braunauer Unterwelt unterwegs und möglicherweise können wir die Antworten in späterer Zeit hinzufügen.
Digitale Bilderkarte zum Pesttürl im Heimathaus
Das Google Maps Navigationssystem ist zwar sehr zuverlässig, aber sicherlich nicht unfehlbar. Als aufmerksamer Spaziergänger sollten sie also vor allem Ihre Umgebung immer genau im Blick haben und nicht nur mit gebeugtem Kopf Smartphone und Co fixieren. Dann steht einem unbeschwerten Ausflug nichts mehr im Wege.
Natürlich können Sie sich auch mit einem "analogen Navigationssystem", sozusagen "auf des Schusters Rappen" ausgerüstet mit einem Stadtplan an den gewünschten Zielort begeben.